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Zielgerichtete Mediennutzung 2/2

Im letzten Beitrag habe ich den Grundgedanken einer zielgerichteten Mediennutzung aufgezeigt. Dabei lag der Fokus auf einer in den Alltag eingebundenen Reflexion. In diesem Beitrag möchte ich nun eine grundsätzliche Reflexion aufzeigen, indem ich die folgenden Aspekte der Mediennutzung vertiefe.

 

Soziale Erwünschtheit

Kommt es zur gewünschten Reaktion? Löse ich aus, was ich beabsichtige?

 

Zeit

Komme ich effizient an mein Ziel? Gibt es geeignetere Kommunikationskanäle, um ans Ziel zu kommen? Wann rufe ich an, statt eine Textnachricht zu schicken?

 

Zweck

Erfüllt es den Zweck, den ich erreichen möchte, bspw. Erholung?

 

Hintergrund

Gibt es Rituale oder Gewohnheiten, die es zu erhalten lohnt?

 

Zeitmanagement

Ergibt die Mediennutzung zu diesem Zeitpunkt Sinn? Hilft es meinem Zeitplan oder meinen Vorhaben, denen ich gerade nachgehe?

 

Sinnhaftigkeit

Ist es sinnvoll, diese Tätigkeit mit diesem Medium auszuführen? Gewinne ich dazu? Gibt es mit einem anderen Mittel bessere Resultate?

 

Diese Art zu reflektieren, zielt nicht nur darauf ab, digitale Mediengewohnheiten zu hinterfragen. Aus meiner Sicht lohnt es sich genauso, analoge Gewohnheiten infrage zu stellen und diese auch auf ihre Zielgerichtetheit zu überprüfen.

Was meint ihr? Sinnvoll?

 

Zielgerichtete Mediennutzung 1/2

Ich hatte heute zwei Workshops zum Thema „Das Smartphone mein ständiger Begleiter“ mit dem Ziel, den bewussten Umgang mit dem Smartphone zu fördern. In diesem Beitrag möchte ich sodann darauf eingehen, was ein bewusster Umgang eigentlich ist und wie ich einen solchen erkennen kann.Um das Bewusstsein im Umgang mit dem Smartphone zu fördern, hilft es wenig, Verbote aufzustellen, wie dass die Mediennutzung keine „echten Kontakte“ ersetzen, den Sport oder die Bewegung nicht konkurrieren oder die Aufmerksamkeit für andere Personen nicht stören darf. Solche Verbote negieren, dass Medien auch für Unproduktives oder einfach selbstbezogen nutzbar sind, was wir aber eigentlich immer wieder bewusst herbeiführen wollen.

Bin ich beispielsweise auf dem Weg nach Hause, möchte ich nicht mit Leuten reden und nicht die Gespräche anderer hören, darum trage ich einen Kopfhörer. Oder wenn ich in der Pause nicht mit den Kursteilnehmenden diskutieren möchte, dann ziehe ich mich mit dem Gerät in eine Ecke zurück und gebe vor zu arbeiten. In diesen Momenten setze ich Medien bewusst ein.

Um mit Gruppen konstruktiv zu diesem Thema zu arbeiten, brauche ich eine wertfreie Herangehensweise, die auch Mediennutzungen reflektieren, die nicht zwingend produktiv oder kreativ sind bzw. ist das Ziel nicht, möglichst häufig off zu sein.

Für mich hat sich hier das Konzept der zielgerichteten Mediennutzung als hilfreich herausgestellt. Abgeleitet aus meiner alltäglichen Praxis, die ich reflektiere, schalte ich Momente ein, in denen ich

• ein Ziel formuliere,

• Erfahrungen sammle,

• eine Auswertung vornehme,

• Erkenntnisse nutze.

Davon ausgehend ermutige ich dazu, vor jeder Mediennutzung kurz innezuhalten und zu überlegen, was ich gerade tun möchte. Es können Ziele wie „Information suchen“, „mit dem Umfeld kommunizieren“ oder „Info überprüfen“ genau so wie „ablenken“, „Zeit vertrödeln“ oder „herunterkommen“ gesetzt werden. Nach der Mediennutzung wird ein zweites Innehalten zur Zielüberprüfung eingesetzt, wobei folgende Fragen beantwortet werden können: Fühle ich mich erholt? Wurde ich abgelenkt? Bin ich entspannt? Wurde das Ziel nicht erreicht, kann das Verhalten überprüft werden.

Wenn ich also feststelle, dass ich Medien konsumiere, um „herunterzukommen“ und mich der Medienkonsum aber eher wach macht, kann ich diesen anpassen und etwas anderes ausprobieren.

Durch diese ständige Reflexion wird der Medienkonsum zielgerichteter. Wir lernen, die gewünschten Wirkungen zu erzielen und ungeeignete Gewohnheiten zu verändern.

In meinem nächsten Beitrag gehe ich noch mehr auf die zielgerichtete Mediennutzung ein. Ich werde beschreiben, welche weiteren Fragen ich mir zur Zielgerichtetheit meines Medienkonsums stellen kann.

Demokratisierung des Fachdiskurses- neue Möglichkeiten des Fachaustauschs

Am 07. September fand in Bern als Abschluss des Programms Jugend und Medien das 3. und vorläufig letzte Fachforum Jugendmedienschutz im Zentrum Paul Klee statt. Hier einige Worte, Gedanken und Beispiele, welchen Nutzen digitale Medien an solchen Veranstaltungen haben können und wie sich mit ihnen die Möglichkeiten von Lernen und Fachaustausch weiterentwickeln können.

Eine Stimme von aussen

Mit dem Projekt JeuneAvis.ch konnte ich ihm Rahmen meiner Anstellung bei der Pro Juventute einen Beitrag zur Tagung leisten. Vom BSV kam das Anliegen, eine junge Stimme ans Fachforum zu holen, um so den Blick der Zielgruppe ins Gespräch zu bringen. Durch bestehende Kontakte und Ideen, die ich schon seit längerer Zeit hatte, habe ich mit Studierenden der HTW Chur ein spannendes Projekt initiiert. Die vier Studierenden haben darauf einen Auftrag des BSV bekommen, und daraus ist in den darauffolgenden Wochen ein Konzept und die Seite JeuneAvis.ch entstanden.

Erkenntnissicherung

Spannend an diesem Beispiel  finde ich, wie dadurch die Möglichkeit von Neuen Medien zur Erkenntnissicherung und zum Einbringen ergänzender Stimmen genutzt werden können. Neben den frontal vermittelten Inhalten wird es so möglich, weitere Ebenen der Diskussion und des Erkenntnisgewinnes zu schaffen und sichtbar zu machen. Der Wert von Fachtagungen lag schon immer nicht nur in den von den Referenten vermittelten Inhalten, sondern auch in den Gesprächen, die vor und nach den Referaten erfolgten. Durch bestimmte Medien werden Teile von diesen sichtbar und erhalten eine neue Qualität.
Aus diesem Interesse habe ich die Zeit investiert, anhand von Storify alle produzierten Inhalte zusammenzufassen:
https://storify.com/LaurentSedano/das-fachforum
Hat sich der Aufwand der 3.5 Stunden gelohnt? Ist es hilfreich, all die Beiträge in dieser Form zu haben? Auf diese Fragen hätte ich gerne eine Antwort von euch.

Neue Wege im Fachaustausch

Es ist an der Zeit, in diesem Bereich neue Wege zu gehen. An dieser Stelle möchte ich auf die bevorstehende Tagung “OpenCon Jugendarbeit 2016” hinweisen. Dies ist eine aus der DOJ-Fachgruppe Neue Medien stammende Initiative, die dabei ist, Form anzunehmen. Die Idee dabei ist, gänzlich auf Referenten und Referentinnen zu verzichten.

„Im Mittelpunkt der Tagung “OpenCON Jugendarbeit 2016” steht ein Austausch über Erfahrungen, Aktivitäten, Projekte und Konzepte zu digitalen Medien in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Dabei sollen sich die Teilnehmenden als Expertinnen und Experten der eigenen Praxis mit anderen Teilnehmenden austauschen können.“ (Aus dem Anmeldungstext)

Schon in der Vorbereitung werden zukünftige Teilnehmende befragt. Ach übrigens! Ihr könnt auch gerne daran teilnehmen, die Umfrage läuft noch. 😉

 

 

 

 

Jugendliche und Datenschutz 1/2

Datenschutz und Privatsphäre sind oft wiederkehrende Themen. Aktuell brennt in Deutschland die Geschichte um die Macher des Blogs Netzpolitik.org. Gegen diese wurde, wegen ihres Einsatzes für Datenschutz und die Rechte der Internetnutzer, ein Verfahren wegen Landesverrats eingeleitet. Diese Aktualität zeigt, wie vielfältig die Interessen in diesem Themenbereich sind. Dies ist auch in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein wiederkehrendes Thema.

Ich höre immer wieder, dass sich Kinder und Jugendliche nicht für den Datenschutz interessieren. Wer dies behauptet, geht meist von der Sicht eines Erwachsenen aus und vergisst die Lebenswelt, in der Jugendliche zuhause sind.
Um die Konzepte „Datenschutz“ und „Privatsphäre“ zu verstehen, ist das Wissen über die geltenden Gesetze, Grundsätze des Datenschutzes, die technischen Möglichkeiten und die Logik der Märkte und des Marketings erforderlich. Ähnlich verhält es sich mit der Privatsphäre. Um diese zu schützen, muss ich ein Verständnis von Privatheit und Öffentlichkeit haben, das selbst die meisten Erwachsenen überfordert.

Die JAMES Studie 2014 gibt an, dass 77.4 % bis 85 % der 12- bis 17-Jährigen die Möglichkeiten zur Privatsphäreneinstellung nutzen und diese auch regelmässig überprüfen.

Ich beobachte bei Jugendlichen ein spezielles Bedürfnis nach Datenschutz, das sich aber von dem der Erwachsenen unterscheidet. Entsprechend ihrer Lebenswelt und Situation zeigt sich ihr Bedürfnis nach Privatheit vor allem durch die Abgrenzung von den Eltern. Ausserdem haben sie ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle, wer welche Daten über sie verbreitet. (Danah Boyd und Alice Marwick, Berkeley 2011)

Dazu einige Beispiele aus der Praxis:
So konnten wir in den letzten Jahren feststellen, dass die Jugendlichen weniger Facebook, hingegen vermehrt Instagram und WhatsApp nutzen. In Gesprächen habe ich oft von Jugendlichen gehört, dass sie dort einfacher den Überblick haben, wer was von ihnen sieht. Sie haben genug von den vielen Möglichkeiten, die Facebook bietet, und sind nicht selten überfordert. Indem sie weniger komplexe Portale nutzen, haben sie eine bessere Kontrolle über ihre Daten.

In einem Workshop haben wir zur Dokumentation des Workshops ein Instagram-Profil eröffnet. Um die Funktionsweise von Hashtags (#) zu demonstrieren, baten wir die Jugendlichen, in der Pause ein Foto unseres Workshop-Plakats zu machen und dieses mit dem Hashtag auf ihrem eigenen Profil zu posten. Niemand in der Gruppe war bereit, unser „uncooles Plakat“ auf seinem Profil zu posten. Ich interpretiere dies als eine Art Privatsphäre, wobei Coolness gewahrt werden soll.

In den Workshops frage ich die Jugendlichen, wie WhatsApp funktioniert und wie eine Nachricht von A nach B kommt. Im Verständnis der meisten Jugendlichen (und auch vieler Erwachsenen) wird die Nachricht direkt vom Telefon A zum Telefon B gesendet. Daraus schliesse ich, dass das nötige technische Wissen fehlt, um die grundlegenden Problematiken des Datenschutzes zu erfassen.
Mein Fazit lautet daher:

• Das Verständnis von Privatsphäre ist vorhanden, aber in Entwicklung.
• Massnahmen zum Schutz der Privatsphäre sind „oft auch“ unbeholfen.
• Technisches Verständnis fehlt.
• Die Einschätzung von „öffentlich“ wird immer schwieriger.

Daraus folgere ich, dass wir Erwachsenen zusehen müssen, wie die Jugendlichen an die für sie nötigen Informationen kommen. Ausserdem braucht es die begleitenden Erwachsenen, die in ehrlichen Gesprächen helfen, dass Jugendliche funktionierende Lösungen im Umgang mit neuen Formen von Privatsphäre und Datenschutz erlangen.

Warum unser oft vorherrschendes Bild von „Digital Natives“ und unser fehlendes technisches Wissen dabei öfters im Wege stehen, erkläre ich in meinem nächsten Blogbeitrag.

Emma Holten- der Wunsch nach einer Lösung

Seit einigen Tagen kursiert die Geschichte von Emma Holten. Ihr Handeln wird von allen Seiten als starke Antwort auf „Revenge Porn“ gelobt. Angeblich wurde ihr Mailaccount gehackt, und Fotos von ihr wurden ins Internet geladen. Emma erzählt ihre Geschichte in folgendem Video. Die Botschaft ist stark und verdient gehört zu werden. Doch am Ende des Videos werde ich stutzig. Durch das Veröffentlichen von eigenen Nacktfotos habe sie sich vom Objekt zum handelnden Subjekt gemacht und damit die Macht über ihren Körper sowie ihr Bild in der Öffentlichkeit zurückerlangt. Auf einer abstrakten Ebene kann ich diesen Gedanken nachvollziehen. Ich sehe auch, was sie geschafft hat: die Emanzipation von ihren Peinigern. Dennoch bleiben einige Fragen offen.
Hat sie wirklich „die Kontrolle“ wiedererlangt?
Immer wieder wird argumentiert Emma habe durch diese Aktion die Kontrolle über die Bilder, die ohne ihre Einwilligung verbreitet wurden, wiedererlangt. Gerade das hat sie eben nicht. Sie wendet einen alten Kommunikationstrick an: die Ablenkung, indem sie viel Aufmerksamkeit auf einen anderen Punkt lenkt. Doch die alten Bilder sind immer noch da, an denselben Stellen im Internet vorhanden, mit den gleichen verletzenden Kommentaren. An der Kontrolle über diese hat sich nichts geändert. Zu den alten sind jetzt neue Fotos hinzugekommen. Was bewirken diese? Was denkt die Leserin oder der Leser von Blick am Abend, wenn sie oder er die Geschichte liest? Was denkt sich der Kerl an Stammtisch? Liest er die Geschichte überhaupt, oder reichen ihm die Fotos?
Welche Wirkung hat die Aktion auf andere Opfer?
Die präsentierte „Lösung“ funktioniert nur in diesem ganz speziellen Fall und ist keinem Opfer von ähnlichen Übergriffen eine Hilfe. Sie überbringt die Botschaft: „Du musst nur stark sein und darüberstehen!“ Und wenn das nicht geht? Was, wenn Opfer von solchen Übergriffen nicht stark sind? Was wäre, wenn Emma nicht über ein künstlerisch- und marketingbegabtes Umfeld verfügen würde? Wie wäre die Kampagne verlaufen, wenn Emma nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen würde?
Übernimmt sie bei ihrer Aktion eine Verantwortung gegenüber anderen?
In der Freude über ihre Befreiung vergisst sie die Wirkung ihrer Botschaft für andere Opfer von Übergriffen. Hat sich durch ihre Aktion die Situation der anderen verbessert? Finden diese eine Hilfe im Umgang mit ihrer Geschichte? Sollen sie sich auch nackt fotografieren lassen? Ich denke, für diese ist Emmas Erfolg wohl wenig hilfreich. Auf ihrem Blog ist der Kommentar zu lesen:

“Some women’s liberationists encouraged women to believe that their individual achievements of success, money, and power (especially in spheres historically dominated by men) advance feminist movement. These women need to know their success has little impact on the social status of women collectively and does not lessen the severity of sexist oppression or eliminate male domination. Their individualism is dangerously narcissistic when it leads them to equate personal success with radical political movement. Individual achievements advance feminist movement if they serve the interests of collective feminist struggle as well as satisfying individual aspirations.”
Bell Hooks, Feminist Theory: From Margin to Center

Fazit
Meiner Meinung nach stilisiert hier die Netzgemeinde (unabhängig von Emmas Absichten) eine Lösung für ein Problem, das jedoch (noch) nicht gelöst ist. Ich sehe darin den Wunsch, für mediale Übergriffe eine einfache Lösung zu präsentieren, die erst noch schön anzuschauen ist.
Ich freue mich, wenn es Emma jetzt besser geht. Wir sollten jedoch vorsichtig sein, wie wir die Geschichte interpretieren. Ich werde den Eindruck nicht los, dass die Netzöffentlichkeit sich hier eine einfache Lösung konstruiert für das Ohnmachtsgefühl darüber, dass das Internet nichts vergisst.
Der Kontrollverlust in einer solchen Missbrauchssituation ist eine Realität, die nicht einfach zu akzeptieren ist. Diese Realität ändert sich nicht, indem wir Heldengeschichten kreieren. Für mich ist Emma eine Heldin, weil sie ihre Geschichte erzählt und sich zu ihr bekennt. Die Nacktfotos braucht es dazu aber nicht.

Regeln

Ein Thema, das immer zur Sprache kommt, sind Regeln. Eltern wünschen sich Vorgaben, an die sie sich halten können. Wie lange darf mein Kind vor dem Bildschirm sein? Ab wann soll es ein Handy bekommen? Wann ist ein FB-Profil zu eröffnen? Ich und die meisten anderen, die im Bereich Medienkompetenz arbeiten, sind sich einig, dass es für diese Fragen keine klaren Antworten gibt. Ich nenne immer drei Gründe, warum es schwierig ist:

1)      Jeder Mensch ist anders hinsichtlich seines Charakters, seiner Entwicklung und seiner Neigungen. Dies macht es unmöglich zu sagen, ab welchen Alter jemand für was bereit ist. Ist das Kind risikofreudig und vertraut es sofort jedem und jeder, braucht es andere Regeln als bei einem zurückhaltenden ängstlichen Kind.

2)      Erziehungsstile sind so verschieden wie es auch die Eltern sind. Wie viel Schutz braucht ein Kind? Will man es in einer behüteten Welt aufwachsen lassen oder bereits früh an „die Welt“ gewöhnen? Dies ist nur einer von vielen Punkten, in welchen sich Erziehung unterscheiden kann. Beide Ansichten haben ihre Vor- und Nachteile, bedingen aber sehr unterschiedliche Regeln, auch in der Medienerziehung.

3)      Wir wissen es noch nicht. Gesichertes Wissen rund um die Neuen Medien existiert erst in Grundzügen. Daher ist es zurzeit noch schwierig, auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurückzugreifen. Auch das Erfahrungswissen von Erziehenden entsteht erst. Halbwissen zu Grundsätzen zu machen und polemisch zu verbreiten, hilft niemandem.

Manchmal gebe ich als Diskussionsgrundlage die 3-6-9-12-Regel. Obwohl ich immer extra erwähne, dass es sich dabei um eine Orientierungshilfe handelt, stürzen sich Eltern darauf und nehmen sie als bare Münze. Schwierig finde ich dabei, dass eine Regel das wirklich Wichtige verhindert: das Aushandeln von Vereinbarungen mit den Kindern und Jugendlichen, also das Gespräch und den Dialog. Ich meine: Besser ist es, selbst Regeln zu vereinbaren, als welche zu übernehmen.

Medienkompetenz

Bei jeder Begrüssung an einem Elternabend erwähnen Veranstalter den tiefen Graben zwischen dem Wissen der Jugendlichen und dem Unwissen von uns Erwachsenen und wie schwierig es sei, mit dem Wissen der Jugendlichen mitzukommen.

Am liebsten steige ich darauf mit folgender Fragen ein; Wer hat ein Handy in der Tasche? (in der Regel alle) Wer hat zwei Handys dabei? (in der Regel einige) Wer hat das Handy ausgeschaltet? (alle ;)) Wer hat das Handy so eingestellt, dass er/sie mitbekommt, wenn der Babysitter anruft (fast alle). Wer hat das Handy ganz ausgestellt, weil er weiss, das er sonst ständig abgelenkt ist (einige). Dann bestärke ich die anwesenden Eltern darin, dass sie bereits über Medienkompetenz verfügen.

Ich weise darauf hin, wie oft Medienkompetenz mit dem Bedienen und Benutzen möglichst vieler Anwendungen verbunden ist. Ich unterstütze die Eltern in den Bereichen der Medienkompetenzen, in denen sie stark sind, zum Beispiel, dass sie sich und die Situation einschätzen können, die Notwendigkeit von Mediennutzen kritisch hinterfragen und sie sich, wo nötig, disziplinieren oder Freiraum schaffen. Dies sind wichtige Bestandteile von Medienkompetenz. Diesen Umgang mit Medien zu lernen geht oft verloren.

Manchmal erzähle ich an dieser Stelle von Telefongesprächen mit Jugendlichen aus meiner Zeit als Jugendarbeiter, zum Beispiel, dass sie mich mit ihren Smartphones anriefen, aber es nicht schafften, sich angebracht (mit Namen) zu melden und zu formulieren, was sie von mir wollten. Der simple Ablauf (Begrüssung; sicherstellen, dass man weiss, wer am Apparat (haha, wer sagt heute noch Apparat?) ist; das Formulieren des Anliegens), der für uns Erwachsene eine Gewohnheit ist, müssen viele Jugendliche noch lernen. Ich erinnere daran, dass auch dieser Umgang und die Anpassung an gesellschaftliche Gepflogenheiten gelernt werden müssen. Hier sind die Eltern gefragt, weil diese hier den Wissensvorsprung haben und darum ihre Jungendlichen in deren Mediennutzung kompetent begleiten können.