Kritik am SRF Puls vom 18.09. “Generation Bildschirm: Kinder und digitale Medien”

Kritik am SRF Puls vom 18.09. “Generation Bildschirm: Kinder und digitale Medien”

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Kritik am SRF Puls vom 18.09. “Generation Bildschirm: Kinder und digitale Medien”

Liebes SRF, In der Pulssendung zu einem aktuellen und relevanten Thema hast du leider schädigende Framings verwendet, die meiner Meinung nach, unseren Fortschritt in diesem The ...

Liebes SRF,

In der Pulssendung zu einem aktuellen und relevanten Thema hast du leider schädigende Framings verwendet, die meiner Meinung nach, unseren Fortschritt in diesem Thema mehr behindert, als fördert.

Es war interessant, die Einblicke in verschiedene Studien und Experimente zu erhalten, von denen man sonst nur die Erkenntnisse zu Gesicht bekommt. Aber warum musst du uns diese Einblicke in einem Weltuntergangs-, Gut-gegen-Böse-, positiv-oder-negativ-Framing präsentieren?

Die wichtigen Themen wurden angesprochen:

  • Bei ganz kleinen Kindern haben digitale Medien keinen Nutzen.
  • Ab ca. 2 – 3 wird es schwieriger. Da kann gezielte Mediennutzung für die Entwicklung förderlich sein. Dies hilft den Kindern auch, die Medien, die sie, um sich wahrnehmen, einzuordnen. Dazu müssen aber bestimmte Bedingungen eingehalten werden.
  • Inhalte müssen altersgerecht sein (einfache ruhige Bilder mit Bezug zur Erlebniswelt)
  • Medienkonsum soll in Begleitung und Interaktion mit Erwachsenen stattfinden
  • Die Dauer sollte nicht länger als 15-20 Minuten sein und nur gelegentlich stattfinden

Es gibt viele andere Dinge, die Kinder in dieser Zeit lernen. Dafür benötigen sie die Aufmerksamkeit und Zeit der Eltern/Erwachsenen.

Anstatt auf die bestehenden Erkenntnisse einzugehen und den Menschen Mut zu machen, wie diese umgesetzt werden können, setzt du lieber auf Angst und Panik.

Bereits in den ersten Sätzen wird behauptet, „wir sind alle zu viel am Handy“, „wir sind abhängig.“ „Süchtig“ gar. Die Grossaufnahmen von starrenden Kindern und die beklemmende Soundkulisse vernebeln die wichtigen Themen. Hilfreiche Erkenntnisse, die aus den gezeigten Studien abgeleitet werden könnten, wird kein Raum gegeben. Wir sind ja auf der Suche danach, ob digitale Medien nun „Gut“ oder „Böse“ sind. Und ha! Eigentlich kennen wir die Antwort schon. Wir spüren sie, tief in unserem Bauch. Angst macht uns nicht zu vernünftig handelnden Erwachsenen.

Weitere Punkte:

Bild der Jugend

Im Film kommen Jugendliche zweimal vor: Eine 30-jährige Frau stellt fest, dass sie genauso viel Bildschirmzeit hat wie ein durchschnittlicher Teenager. Es wird implizit vermittelt, dass dies schlecht sein muss.

Dann äussern Jugendliche ihre Einschätzung, wie lange Kinder im Alter von 3 Jahren vor einem Bildschirm sein sollten. Die Jugendlichen schätzen es richtig ein – „für einmal!“. Welches „Richtig“? Abgesehen davon, dass man nicht hört, wie die Fragen gestellt wurden, warum sollten Jugendliche keine reflektierten Einschätzungen abgeben können? Haben sie überhaupt „recht“ mit ihren Einschätzungen? Oder fehlt ihnen vielleicht die wichtige Erfahrung, ein Kind grossgezogen zu haben um die Frage zu beantworten?

Framing der Wissenschaft

Die Wissenschaft wird als Kampf zwischen „ja“ und „nein“ dargestellt. Es wird in einem Dualismus zwischen „Chancen“ und „Risiken“ erzählt. Haben wir während der Pandemie nicht gelernt, welchen Schaden ein solches Bild der Wissenschaft anrichten kann? Wo sind die Wissenschaftler, die das Spektrum von Erkenntnissen aufzeigen? Wo sind diejenigen, die darauf hinweisen, dass „Zeit“ nicht der einzige Indikator dafür ist, ob uns Medienkonsum guttut oder nicht? Warum wird versucht, Antworten zu geben, wo es keine gibt?

Natürlich wird die Seite der „Chancen“ mit einem „Wer hätte gedacht, dass Computerspiele etwas Gutes haben können?“ geframed. Sind dies wirklich die einzigen positiven Aspekte von Games, die man bis heute entdeckt hat? Es gäbe noch viele andere Beispiele, bei denen Games und andere digitale Medien, einen positiven Einfluss auf die Entwicklung von Kindern (und Erwachsene) haben können. Dazu kommt, ist dieses Beispiel, angesichts der angesprochenen Altersgruppe, nicht etwas seltsam gewählt. Wie wäre es mit Beispielen wie mit Games und anderen geeigneten Apps Sprachentwicklung und Lesen gefördert werden können?

Es werden Themen behandelt, die offensichtlich sind, aber als „Erkenntnis“ präsentiert werden

Es ist klar, dass 6 Stunden Bildschirmzeit schlecht für ein Kleinkind sind. Das ist keine neue Erkenntnis. Aber wollt ihr uns wirklich glauben machen, dass es den Kindern heute nur deshalb schlechter geht, weil sich digitale Medien etabliert haben? Hat sich in unserer Gesellschaft sonst nichts verändert? Zum gewählten Beispiel; wie hat sich das Leben in den Pariser Vororten in den letzten Jahren entwickelt? Wie sieht es dort mit den Lebensbedingungen im Allgemeinen aus? Wie kann es sein, dass in einer Zeit in der Informationen so einfach zur Verfügung stehen, eine Kinderärztin grundlegende Erziehungsfregen vermitteln muss? Ist es Zufall, dass die einzige nicht weisse Person in der ganzen Sendung ausgerechnet in dieser Sequenz vorkommt? Wird es einer Wissenschaftssendung gerecht, wenn alle anderen möglichen Einflussfaktoren ausgeblendet werden?

Wichtige Themen werden nicht eingeordnet

Einige Minuten werden dem Thema „Inhalte mit schnell wechselnden Schnitten“ gewidmet. Es wäre sinnvoll darauf einzugehen, was damit gemeint ist – dass dies ein wichtiges Kennzeichen für „altersgerechte Inhalte“ ist und dass Eltern bei der Medienauswahl darauf achten sollten. Gute Filme für Kinder sind auf andere Art gestaltet. Wieso gibt es immer mehr Inhalte, die so hoch getaktet sind? Warum gibt es heutzutage weniger liebevoll gestaltete, der Entwicklung von Kindern entsprechende Inhalte?

Ach, und wenn wir schon bei den schnellen Schnitten sind.

Ja, sie werden verwendet, um unsere Aufmerksamkeit zu fesseln. Nicht nur bei Kindern. Andere Tricks sind die Polarisierung und Dramatisierung von Geschichten, die Wahl düsterer Bilder und der Einsatz eindringlicher Musik, wechselnde Bilder von Wissenschaftlern und ausgesuchten Statements von Personen wie du und ich. Ja, das macht Geschichten spannend und hält uns am Bildschirm fest. Ja, Medien nutzen schon immer raffinierte Tricks, um unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen. Dazu liesse sich ein ähnlicher Beitrag mit Erkenntnissen aus Psychologie und Hirnforschung machen. Auch dieser Beitrag liesse sich mit dem gleichen düsteren Sound unterlegen wie dieser Beitrag. Aber klar, „Algorithmus“ muss magischer sein als die seit Langem bestehenden Tricks, um unsere Aufmerksamkeit. Und auch wenn du zum Schluss versuchst einen positiveren Ton einzuschlagen, wirkt dies irgendwie seltsam und verwirrend.

Warum ist es besser, liebes SRF, wenn du diese aufmerksamkeitsheischenden Tricks anwendest und interessierte Eltern mit mulmigen, und zum Schluss auch noch verwirrenden, Gefühlen im Magen zurücklässt?

Wir bleiben weiter dran und sind bislang nicht fertig mit dem „Reden über Medien“

Ja genau! Hier geht es zum Podcast!

https://letscast.fm/sites/reden-ueber-medien-bd5d48d8

Hier geht es zur angesprochenen Sendung:

https://www.srf.ch/play/tv/puls/video/generation-bildschirm-kinder-und-digitale-medien?urn=urn:srf:video:958231f0-d695-4af2-9452-7a0887c47146