Kategorienarchiv: Aktualitäten und Digitalphilosophische Gedankenspiele

Seit einigen Tagen kursiert die Geschichte von Emma Holten. Ihr Handeln wird von allen Seiten als starke Antwort auf „Revenge Porn“ gelobt. Angeblich wurde ihr Mailaccount gehackt, und Fotos von ihr wurden ins Internet geladen. Emma erzählt ihre Geschichte in folgendem Video. Die Botschaft ist stark und verdient gehört zu werden. Doch am Ende des Videos werde ich stutzig. Durch das Veröffentlichen von eigenen Nacktfotos habe sie sich vom Objekt zum handelnden Subjekt gemacht und damit die Macht über ihren Körper sowie ihr Bild in der Öffentlichkeit zurückerlangt. Auf einer abstrakten Ebene kann ich diesen Gedanken nachvollziehen. Ich sehe auch, was sie geschafft hat: die Emanzipation von ihren Peinigern. Dennoch bleiben einige Fragen offen. Hat sie wirklich „die Kontrolle“ wiedererlangt? Immer wieder wird argumentiert Emma habe durch diese Aktion die Kontrolle über die Bilder, die ohne ihre Einwilligung verbreitet wurden, wiedererlangt. Gerade das hat sie eben nicht. Sie wendet einen…

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Letzte Woche habe ich auf YouTube  ein Video gesehen. Darin sieht man einen jungen Mann, der nackt sein Geschlechtsteil schwingt und locker „guete Morge mitenand” singt. Wieso macht ein junger Mensch so etwas? In den Medien habe ich sogar gelesen, dies sei ein neuer Trend. Mögliche Erklärungen Hier einige Versuche, dieses Verhalten zu interpretieren: Jugendliche müssen sich auszuprobieren, neu erfinden und dabei Grenzen auszuloten, diese zu überschreiten, gehört dazu. Dabei sind sie auf der Suche nach Anerkennung, die durch Auffallen gewonnen wird. Dass die Jugendlichen, die Grenzen überschreiten, am meisten Aufmerksamkeit bekommen, kennen wir aus der Jugendarbeit. Betrachten wir das Fernsehprogramm, ist es nachvollziehbar, warum Jugendliche berühmt sein wollen. In der Überzahl sind Sendungen, in denen Herr und Frau jedermann in peinlichsten Situationen zu sehen und so zu ihrer Portion Öffentlichkeit und Ruhm gerlangen. Mit einem solchen Film kann jemand berühmt werden und so seinen sozialen Status „verbessern“. Versuche einen solchen…

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Von einigen Fachpersonen, besonders von Philippe Wampfler, wurde das Thema der aktuellen Kampagne von Pro Juventute zwar begrüsst, die Machart indes kritisiert. Wir würden in die ‚Dualismusfalle‘ tappen oder gar bewusst den Dualismus propagieren. Die eingebrachte Definition für „Digitalen Dualismus“ lautet folgendermassen: „Digitaler Dualismus bezeichnet die Haltung, dass der Cyberspace oder die virtuelle Welt und die sinnlich erfassbare, reale Welt einen Gegensatz bildeten. Der Digitale Dualismus ist eine verbreitete Überzeugung, die auch die mediale Berichterstattung zu Social Media prägt, wird aber von spezialisierten Soziologinnen und Soziologen abgelehnt.[1]“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Digitaler_Dualismus) Vorab: Als Verantwortlicher für das Thema Medienkompetenz bei Pro Juventute sehe ich mich als ‚Brückenbauer‘ zwischen der jugendlichen Lebenswelt und derjenigen der Erwachsenen. Ähnlich wie zu meiner Zeit, als ich in der Offenen und Mobilen Jugendarbeit tätig war, ist dies eine meiner Hauptaufgaben bzw. eines meiner Ziele. Mein jetziger Fokus ist der Bereich „Medienkompetenz“ und da ist einer der Wichtigsten Übersetzungsleistungen, mit…

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Vor einiger Zeit habe ich auf meinem Blog einen Beitrag mit dem Titel „Demokratisierung von Erziehung“ veröffentlicht. Der darin beschriebene Gedanke lässt sich gut auf die pädagogische Beziehung übertragen. Schauen wir uns also zwei typische Schauplätze der Offenen und Stationären Jugendarbeit an.  Jugendtreff Der Schlüssel des Medienraums ruht in der Tasche des Jugendarbeiters, seine Kollegin kümmert sich um die Herausgabe der Spiele für die Playstation. Die Regeln, wer in den Genuss der Medien kommt, sind aufgestellt und gut kommuniziert. Im Notfall kann der Zugang zu den Medien auch genutzt werden, um erzieherisch oder animatorisch zu wirken. Jugendheim Auch hier ist alles gut geregelt und vom Pädagogen durchdacht. Die Inhalte des Fernsehprogramms und der DVD sind vorbesprochen und mit der wöchentlichen verfügbaren Medienzeit abgestimmt. Die Medienzeit wird genutzt, um pädagogische Interventionen zu stützen. Die gute alte Zeit! Vergleichsweise war es früher einfacher, seinen erzieherischen Auftrag wahrzunehmen und die Jugendlichen auf einem guten…

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Die Kinder wollen gerne an einem Ort Ferien machen, wo Rambazamba und immer was los ist, die Eltern wollen dorthin, wo sie Ruhe finden und Zeit mit ihrer Familie verbringen können. Gewöhnlich setzen sich die Eltern durch und die Jugendlichen und Kinder finden sich in einem Kaff wieder, in dem nichts los ist. Nach dem die Junioren ein bisschen geschmollt haben, bleibt ihnen nichts anders übrig, als halbherzig die Zeit mit ihren Eltern abzusitzen und zu warten, bis sie wieder mit ihren Freunden zusammen sein können. Die Entwicklung digitaler Medien macht heute den Eltern einen Strich durch die Rechnung. Die Jungen haben ihr Handy dabei und erfreuen sich, dem so ermöglichten Kontakt mit ihren Peers. Den Eltern bringt es den Frust und die Erkenntnis, dass ihre Kinder sich Tolleres, als die Zeit mit ihnen bei einem Spaziergang, vorstellen können. So verbringen sie die Ferien lieber im Haus, denn dort gibt…

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Wie versprochen, gehe ich in diesem Artikel vertieft auf das Thema Identitätsbildung im Zusammenhang mit der Entwicklung einer digitalen Kultur ein. Das hier Wiedergegebene entspricht dem Vortrag von Serge Tisseron, den er am Symposium in Lausanne gehalten hat. Dieser Artikel schliesst also an meinen letzten Artikel an. Die Frische seiner Denkweise motivierte mich, seine Aussagen hier zusammenzufassen, gerade weil sie ein Gegensatz zu den üblichen Veröffentlichungen zum Thema darstellen. Laut Tisseron haben sich die Grundvoraussetzungen für die Entwicklung von Identität in den letzten Jahren verändert. Unter anderem zeigt sich das auch im Begriff des „Privaten“. Im Gegensatz zu früher ist heute nichts mehr wirklich privat und nichts mehr wirklich öffentlich. Dies spielt darum eine Rolle, weil in der Bildung einer Identität neben dem „Sich-selbst-Erkennen“ immer auch der Wunsch, erkannt zu werden, mitspielt. Zur Zeit unserer Grosseltern hatten die Menschen nur die Möglichkeit, sich im Spiegel selbst zu sehen. Diese Spiegel…

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Am 05. Juni fand in Lausanne ein Symposium zum Thema Jugendliche und Neue Medien statt. Dort hatte ich das Vergnügen, Serge Tisseron sprechen zu hören. Hier ein Versuch, dieses Erlebnis in Worte zu fassen: Am Anfang seines Vortrags macht Serge Tisseron eine einfache Aussage, welche die folgenden Ausführungen zusammenfasst. Er sagt, die Hauptaufgabe der Erwachsenen bestehe nicht darin, Game- und Bildschirmzeiten oder Aufstellplätze von Computern zu bestimmen, sondern die Herausforderung sei, Jugendliche und ihr ganzes Tun zu verstehen, das heisst, was sie machen, was sie bewegt und wie sie ihre Aufgaben angehen. Für die Erwachsenen sei es immer wichtiger, mit der Zeit mitzuhalten. Ein Mithalten in der Zukunft bedinge das Mithalten heute. Dabei könne keine Stufe ausgelassen werden. Sein Publikum ruft er dazu auf, die Neugier zu behalten und wenn die Neugier bereits verloren sei, sie möglichst schnell wiederzufinden. Er betont, dass diese Veränderung des „Esprits“ wichtiger sei als das…

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Aktuell findet online eine kleine Diskussion um die Aktualität über und die Dringlichkeit von Sexting statt. Solche Diskussionen sind sehr wichtig. Nur, wenn über Themen diskutiert wird, kann auch dazu sensibilisiert werden. Gibt es Sexting? Was ist daran schlimm? Und braucht es Aufklärung? Jugendorganisationen wie Pro Juventute und ihre Partner setzen sich seit langem für die Förderung der Medienkompetenz ein, informieren über mögliche negative Folgen von Sexting und zeigen Opfern vom Missbrauch von Sexting und Cyber-Mobbing, wo sie Hilfe finden. Vor einigen Tagen antwortete der Blogger Philippe Wampfler dem Newsportal Watson auf Fragen zum Thema Sexting.  Es ist erfreulich zu lesen, dass er mehrheitlich jene Empfehlungen bezüglich des Umgangs mit Sexting weitergibt, die Pro Juventute seit längerem empfiehlt. Er hat gleichzeitig auch seine Meinung kundgetan bezüglich der Aufklärungsarbeit von Pro Juventute und der Berichterstattung darüber. Das Newsportal hebt eine einzelne Aussage als Titel hervor “Das Thema Sexting wird ausgeschlachtet und dramatisiert”. Diese Aussage löste…

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