Header Image - KOPF-STAND.ORG

Tag Archives

2 Articles

Demokratisierung von Erziehung

Die Kinder wollen gerne an einem Ort Ferien machen, wo Rambazamba und immer was los ist, die Eltern wollen dorthin, wo sie Ruhe finden und Zeit mit ihrer Familie verbringen können. Gewöhnlich setzen sich die Eltern durch und die Jugendlichen und Kinder finden sich in einem Kaff wieder, in dem nichts los ist. Nach dem die Junioren ein bisschen geschmollt haben, bleibt ihnen nichts anders übrig, als halbherzig die Zeit mit ihren Eltern abzusitzen und zu warten, bis sie wieder mit ihren Freunden zusammen sein können.
Die Entwicklung digitaler Medien macht heute den Eltern einen Strich durch die Rechnung. Die Jungen haben ihr Handy dabei und erfreuen sich, dem so ermöglichten Kontakt mit ihren Peers. Den Eltern bringt es den Frust und die Erkenntnis, dass ihre Kinder sich Tolleres, als die Zeit mit ihnen bei einem Spaziergang, vorstellen können. So verbringen sie die Ferien lieber im Haus, denn dort gibt es WLAN. Mit jeder Sekunde, die sie nicht im Netz verbringen, lassen sie die Eltern spüren, wo sie eigentlich lieber sein würden.

Mit diesem Beispiel möchte ich zeigen, wie hier das Handy als eine Art Katalysator für etwas fungiert, was schon immer Thema war. Es kommt irgendwann die Zeit, wo Eltern langweilig sind und sich Jugendliche am liebsten nur mit Gleichaltrigen auseinandersetzen. Natürlich ist das für viele Eltern eine schwierige Zeit, sind sie sich doch gewohnt, für ihre Kinder das Wichtigste zu sein. Die Möglichkeit, mit dem Handy in ständigem Kontakt mit Freunden zu sein, hält diese unliebsame Entwicklung den Eltern klar vor Augen. Was früher noch überspielbar war, ist heute offensichtlich.
Dasselbe gilt für Verbote, die Eltern gegenüber ihren Kindern aussprechen. Wenn früher noch eine gewisse Kontrolle über den Medienkonsum von Kindern möglich war, so ist dies heute hinfällig. Eltern sind immer mehr davon abhängig, dass Kinder bei der Einhaltung von Regeln mitarbeiten. Dies gilt vor allem, wenn sich Eltern den technologischen Entwicklungen verweigern und darum keine Ahnung haben, was mit welchen Geräten möglich ist.

 
Es ist verständlich, dass Eltern eine Wut auf das Handy entwickeln. Dahinter steckt aber etwas völlig anderes. Das Handy bringt Konflikte und Herausforderungen zutage, die im Familienalltag bestehen und durch die Möglichkeiten vom Handy an die Oberfläche kommen. Eltern werden gezwungen, mit Jugendlichen zu verhandeln und ihre Wünsche offen auf den Tisch zu legen. Dies ist nur fruchtbar, wenn diese Verhandlungen auf Augenhöhe geschehen (siehe mein Artikel zu Regeln). So leistet das Handy seinen Beitrag zu einer demokratischeren, sprich gleichberechtigteren Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern bzw. fast Erwachsenen.

Medienkompetenz

Bei jeder Begrüssung an einem Elternabend erwähnen Veranstalter den tiefen Graben zwischen dem Wissen der Jugendlichen und dem Unwissen von uns Erwachsenen und wie schwierig es sei, mit dem Wissen der Jugendlichen mitzukommen.

Am liebsten steige ich darauf mit folgender Fragen ein; Wer hat ein Handy in der Tasche? (in der Regel alle) Wer hat zwei Handys dabei? (in der Regel einige) Wer hat das Handy ausgeschaltet? (alle ;)) Wer hat das Handy so eingestellt, dass er/sie mitbekommt, wenn der Babysitter anruft (fast alle). Wer hat das Handy ganz ausgestellt, weil er weiss, das er sonst ständig abgelenkt ist (einige). Dann bestärke ich die anwesenden Eltern darin, dass sie bereits über Medienkompetenz verfügen.

Ich weise darauf hin, wie oft Medienkompetenz mit dem Bedienen und Benutzen möglichst vieler Anwendungen verbunden ist. Ich unterstütze die Eltern in den Bereichen der Medienkompetenzen, in denen sie stark sind, zum Beispiel, dass sie sich und die Situation einschätzen können, die Notwendigkeit von Mediennutzen kritisch hinterfragen und sie sich, wo nötig, disziplinieren oder Freiraum schaffen. Dies sind wichtige Bestandteile von Medienkompetenz. Diesen Umgang mit Medien zu lernen geht oft verloren.

Manchmal erzähle ich an dieser Stelle von Telefongesprächen mit Jugendlichen aus meiner Zeit als Jugendarbeiter, zum Beispiel, dass sie mich mit ihren Smartphones anriefen, aber es nicht schafften, sich angebracht (mit Namen) zu melden und zu formulieren, was sie von mir wollten. Der simple Ablauf (Begrüssung; sicherstellen, dass man weiss, wer am Apparat (haha, wer sagt heute noch Apparat?) ist; das Formulieren des Anliegens), der für uns Erwachsene eine Gewohnheit ist, müssen viele Jugendliche noch lernen. Ich erinnere daran, dass auch dieser Umgang und die Anpassung an gesellschaftliche Gepflogenheiten gelernt werden müssen. Hier sind die Eltern gefragt, weil diese hier den Wissensvorsprung haben und darum ihre Jungendlichen in deren Mediennutzung kompetent begleiten können.