Personalisierung des Lernens Märztagung der SSAB 2017
Am letzten Donnerstag durfte ich an der Märztagung zum Thema; “Was bringt die Personalisierung des Lernens im Rahmen der digitalen Transformation?“der SSAB teilnehmen. Hier ein kurzes Resumee.
In den ersten beiden Referaten wurde von Ernst Haven und Andreas Dengel den Stand der Dinge des personalisierten Lernens dargelegt.
Bildung der nahen Zukunft
Lernen wird personalisiert. Das heisst, jeder/jede einzelne Studierende bekommt individuell abgestimmt, was er braucht. Die Studierenden lernen unterstützt durch online Tools. Diese stellen ihnen Aufgaben und Materialien zur Verfügung und bieten Übungsmöglichkeiten an. (Qizz, Literaturrecherche, Audio/Videodateien der Vorlesung usw.) Dies ermöglicht individuelles Zuschneiden von Inhalten und Hilfestellungen. Dabei entstehen eine grosse Menge von Daten, die sich auswerten lassen und dazu dienen, Lerninhalte adaptiv aufzubereiten. Das heisst, wer gut ist, bekommt schwierigere Aufgaben, wer mühe hat, bekommt genau die Unterstützung, die benötigt wird.
Neben allen sogenannten Log Daten (wer, wann, wie lange am Lernen ist und welche Funktionen genutzt werden) werden in Zukunft noch weitere dazu kommen. Arbeiten am Bildschirm werden anhand von verschiedenen Techniken analysiert. Mit Eyetracking wird erkannt, wenn Studierende irgendwo feststecken. Anhand von Wärmebildkamera erkennt die Software, wie sich die lernende Person dabei gerade fühlt (überfordert?, erfreut? fasziniert?). Diese Daten werden mit Eindrücken ergänzt, die mit Kamera und Gesichtserkennung erfasst werden. So lernt das System die Studierenden kennen und bietet, die nötigen Hilfestellungen noch personalisierter an. Auf das Lernverhalten abgestimmt, werden unterstützende Lerninhalte oder zusätzliche Hilfestellungen angeboten.
Prüfungen wird es nicht mehr geben, da alle Studierenden über eine umfassende Datenanalyse all ihrer Tätigkeiten im Studium verfügen. Mit diesem Portfolio können sich Studierende im Arbeitsmarkt präsentieren. Ein anderes Szenario sieht folgendermassen aus: Studierende stellen ihre Daten öffentlich zur Verfügung und werden, von einer Firma getrackt und nach Abschluss direkt eingestellt. Möglich ist auch, dass Firmen Wunschcurrikula definieren die Studierende abarbeiten können.
Schrift 2.0
Andreas Dengel zeigt dann eindrücklich wie sich mittels Schrift 2.0 Feedbackschleifen zwischen Mensch und Lernobjekt einbauen lassen, um Lerninhalte mit dem kognitiven Verhalten zu synchronisieren. Mittels Eyetracking verfolgt der Text, was gelesen wird. Bleibt der/die Lesende bei einzelnen Wörtern stecken (oder werden diese absichtlich fixiert) erhalten diese verschiedene Möglichkeiten angeboten. Der Bildschirm blendet Wörterbuch, Lexikon, Übersetzungsprogramm oder weitere Links zur Verfügung. Auf Wunsch können einzelne Stellen im Text mit Grafiken, Animationen oder Musik/Geräusche ergänzt werden. Einen guten Einblick ergibt dieser Film:
Was passiert mit all diesen Daten?
Die so anfallenden Daten werden in Zukunft Zeugnisse und Prüfungen Ersetzen und eine neue Form des HR mitbringen. Hafen setzt sich dabei explizit dafür ein, dass die Daten der erzeugenden Person zustehen. Dafür wird in den nächsten zwei Jahren eine Volksinitiative lanciert. (http://www.martinkathriner.ch/dataanalytics/)
In einem späteren Referat von Antoinette Mira wird klar, dass es für die Auswertung all dieser Daten einen neuen Wissenschaftszweig braucht. Dieser soll garantieren, dass angefallene Daten auch richtig ausgewertet und analysiert werden können. Bis vor einigen Jahren war “Big-Data” ein Thema, dem sich kommerzielle Player angenommen haben. Durch die Etablierung eines Wissenschaftszweig sollen auch Erkenntnisse von öffentlichem Interesse geniert werden.
Zukunftsmusik?
Der grösste Bücherhändler der Welt hat noch nie ein Buch gedruckt, die grösste Hotelkette der Welt besitzt kein einziges Hotel, das grösste Taxiunternehmen besitzt kein einziges Taxi.
Gestern gingen wir in die Autowerkstatt und wurden von einem Mechaniker mit schmutzigen Händen begrüsst. Er hat sich das Auto angeschaut und dann eine Zündkerze gewechselt.
Heute gehe ich in die gleiche Autowerkstatt und werde aber von einem Mechaniker mit sauberen Händen begrüsst. Er schliesst ein Laptop an das Auto an und wechseln dann die Zündkerzen.
Morgen erhalte ich in der 9.00 Pause eine Nachricht von meiner AutoApp. Es hat festgestellt, dass eine Zündkerze gewechselt werden muss. Über Mittag kommt jemand vorbei und wechselt an dem Auto die Zündkerze. Dies wird von einer Person erledigt die “selbstständig” ist und auf einer online Plattform angemeldet, dass sie Zündkerzen wechseln kann.
Auf diese Art werden, so die Prognosen, in den nächsten 20 Jahre 40 % der heute bestehenden Berufe verschwinden oder zumindest eine sehr starken Wandel erleben.
Die oben beschriebenen Veränderungen im Bildungsbereich sind heue, rein technisch, umsetzbar. In den nächsten zwei Jahren kommen Kameras auf den Markt die für 200.- die nötigen technischen Voraussetzungen bringen (Wärmebild, Eyetracking). Damit erst können eine grosse Anzahl von Studierenden ausgerüstet werden.
Und die Pro Juventute in dem Ganzen?
Im Schlusswort der Tagung wird erwähnt, dass diese Entwicklung ganz viele „Abgehängte“ produzieren wird. Einerseits werden viele beschäftigte ihre Arbeit verlieren oder den Wandel ihrer Arbeit nicht schaffen können. Weiter, werden die neu möglichen Lernformen wohl nicht dort Umgesetzt werden wo die sitzen die es am meisten nötig haben. Ich befürchte das diese Entwicklung die Chancenungleichheit noch mehr verstärken wird. Hier ergeben sich aus meiner Sicht wichtige Herausforderungen die wir zu meistern haben.
Mehr Inhalt? Mehr Bild? Mehr Meinung? Klicken Sie hier…….
Lieber Gruss Laurent