Online Games und Kinderschutz
Digitale Medien haben eine ungeheure Anziehungskraft. Im aktuellen Fall des entführten Jungen kam es zu einer Kontaktaufnahme über ein Online-Game. Eine Entführung, eine Zugreise von fast 600 km, eine Landesgrenze, ein Fahrrad, ein Unbekannter, der immer wieder Kinder in seine Wohnung mitnimmt, sind Teile einer Geschichte, die keinerlei Aufmerksamkeit erhalten. Dafür richtet sich diese beinahe ausschliesslich auf ein Internetspiel. Als Zeichen einer Unsicherheit, die die gesamte virtuelle Welt – einmal mehr – infrage stellte.
Hier finden sie eine Zusammenstellung der Artikel, die zum Thema erschienen sind.
An den meisten unserer Elternabende geht es um Ängste und Unsicherheiten rund um die Neuen Medien. Wir bestärken die Eltern darin, dass sie selbst viele wichtige (Medien-)Kompetenzen mitbringen. Beispielsweise haben wir alle gelernt, dass wir Unbekannten nicht grundsätzlich vertrauen, wir uns von ihnen nicht um den Finger wickeln lassen. Oder wir glauben nicht alles, was wir lesen. Wenn sich Erwachsene dieser Stärken bewusst sind, ist es für sie einfacher, sie den Kindern auch für die Online-Welt zu vermitteln.
Erwachsenen ist der Unterschied zwischen der „realen“ und der „virtuellen“ Welt sehr wichtig, was oftmals gelingende Kommunikation verhindert. Ich streite nicht ab, dass es Unterschiede gibt zwischen einem Online- und einem Offline-Gespräch. Darin liegt aber keine Wertung. Oft finden gerade Jugendliche online die Zustimmung, die sie offline nicht bekommen. Das Gleiche gilt für digitale Werte. Egal ob ich über ein halbes Jahr in einen Spielcharakter investiere, ein Pixelhaus baue oder in einem Online-Team ein Gebiet erobere; alles bekommt durch die intensive Auseinandersetzung einen emotionalen Wert. Ich habe als Jugendlicher einmal mein Badetuch verloren, darauf waren alle meine Schwimmabzeichen genäht. Meine Trauer galt nicht dem materiellen Wert, sondern dem „virtuellen“, das heisst den Erlebnissen, die ich mit diesen Abzeichen verband. Wir sind uns also durchaus „virtuelle“ Werte gewohnt, gestehen sie aber der digitalen Welt nicht zu. Das Gleiche gilt für die Kommunikation und die Kontakte, die online gepflegt werden. Kinder und Jugendliche erfahren diese als real, und sie sind für sie insbesondere in der Jugendzeit sogar essenziell. Erwachsene begegnen diesen für Kinder und Jugendliche realen Werten und Kontakten aber meist mit Misstrauen, Abwertung und Widerstand. Eltern wollen nicht über die Online-Welt reden und laufen so Gefahr, einen Teil des Lebens ihrer Kinder zu verpassen.
Warst du heute gut im Spiel? Hat dein Clan den Krieg gewonnen? Konntest du deine Punkte holen? Diese Fragen sind Türöffner zu einer Welt, die für Kinder ab ca. 10 Jahren wichtig ist. Wir raten Eltern, mit ihren Kindern über Games und Online-Gewohnheiten zu reden. Es ist wichtig, innezuhalten und ihnen zuzuhören, statt sie nur vor allfälligen Gefahren zu warnen oder sie gar vom Gamen abzuhalten. Wollen wir von Kindern und Jugendlichen ernst genommen werden, müssen sie das Gefühl bekommen, dass wir Anteil nehmen. Dies ist nicht als Bringschuld der Jugendlichen zu verstehen, sondern als Hohlschuld der Erwachsenen. In vielen Familien geschieht das automatisch.
Weil es Kinder gibt die die nicht über Ideale Bedingungen verfügen, brauchen wir Stützsysteme, die hier greifen. Schulsozialarbeit, offene Jugendarbeit, Jugendberatungsstellen oder die KESB leisten hier wichtige Beiträge. Die Stadtpolizei Zürich schafft beispielsweise mit ihrem Internet-Community-Polizisten Patrick Jean (ICoP) den Schritt über den digitalen Graben. Auch die Schule ist auf diesem Weg. Mit dem Lehrplan 21 sind erstmals Medienkompetenzen Teil des Schulstoffs. Aus meiner Sicht bringt der Lehrplan zwei massgebliche Änderungen: Erstens beinhaltet er neue Kompetenzen, die für den sicheren und zielgerichteten Umgang mit digitalen Medien wichtig sind. Zweitens distanziert er sich von einer reinen Auflistung von zu behandelnden Inhalten, betont hingegen die Fähigkeiten, die erlernt werden sollen. Hier stehen wir vor grossen Herausforderungen, wie diese Vorhaben umgesetzt werden, damit Chancengleichheit entstehen kann.
Wie im Strassenverkehr braucht es auch in der digitalen Welt schützende Regeln. Die rasche Entwicklung und die schiere Grösse des Internets erschweren diese. Gewisse Ansätze existieren aber bereits. Beispielsweise kategorisiert die PEGI Spiele nach ihrem Inhalt. Wäre es dabei nicht sinnvoll, auch einzelne Funktionen zu kennzeichnen, die für Kinder gefährlich werden können?
Erwachsene, die mit schlechten Absichten Kontakt zu Kindern suchen, gab es schon immer auf Spielplätzen, Schulhöfen und Sportanlagen. Im Unterschied zu Online-Räumen kennen Eltern diese Kindertreffpunkte. Sie sind selbst oft dort anwesend, genauso wie ab und zu die Polizei oder andere Vertrauenspersonen. Ähnlich verhält es sich in der Online-Welt: Auch hier hilft es, wenn wir uns dort ab und zu selbst aufhalten, um uns zu informieren. Also, lasst uns miteinander reden, chatten, spielen und mit Visionen an den digitalen Herausforderungen arbeiten. Neulich fragte ich eine Schulklasse, was das Internet sei. Ein Mädchen in der hintersten Reihe hat darauf gerufen: „Freundschaft, Gemeinschaft, Liebe!“