Jetzt legt doch mal das Handy weg!?

Jetzt legt doch mal das Handy weg!?

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Jetzt legt doch mal das Handy weg!?

Eine Gruppe Jugendlicher betritt den Jugendtreffpunkt. Das Handy schon in der Hand, werfen sie sich auf das Sofa und sind im Nu in ihre Handys vertieft. Aus der Perspektive des aus ...

Eine Gruppe Jugendlicher betritt den Jugendtreffpunkt. Das Handy schon in der Hand, werfen sie sich auf das Sofa und sind im Nu in ihre Handys vertieft. Aus der Perspektive des aussenstehenden Beobachters ist dies schwierig mitanzusehen, weiss die Fachperson der Soziokulturellen Animation doch die Zeit besser zu nutzen, als „nur“ ins Handy zu schauen.

Doch führt diese Sichtweise zu einem gewinnbringenden Dialog?

Eigenschaften von Medien berücksichtigen
Medien sind nur die Vermittler von Botschaften, während die Nutzenden immer die Handelnden sind. Dennoch lassen digitale Medien das Gefühl entstehen, uns „zu etwas zwingen zu wollen“. Das können sie jedoch nicht. Im Gegensatz zu früher stehen die heutigen digitalen Medien in unbegrenzter Menge, kopierbar und zeitunabhängig zur Verfügung. Dadurch entsteht eine echte Herausforderung, einen Umgang mit ihnen zu finden. Allerdings werden wir in der Reflexion über Mediennutzung scheitern, wenn wir uns dabei auf alte Konzepte stützen oder uns frühere Umstände zurückwünschen. Was wir wissen ist, dass die Zukunft viel Ungewisses und schnelle Veränderungen bringt. Daher wird es immer wichtiger, flexibel reagieren zu können und über kreative Kompetenzen zu verfügen (Genner 2017, S. 42).

Abschied vom „Richtigen“
Viele Aspekte der Mediennutzung sind einem schnellen Wandel unterworfen und für uns neu. Als Beispiel seien hier die Veränderungen in Bezug auf Privatsphäre und Öffentlichkeit angeführt. Wir müssen uns davon verabschieden, dass es hinsichtlich der Mediennutzung nur einen richtigen Ansatz gibt. Bestenfalls können wir ein Bewusstsein darüber erlangen, was für uns richtig ist oder uns gut tut. Wichtig ist, die Kompetenz zu erlernen, eigenes Verhalten zu reflektieren und selbstständig anzupassen. Norbert Groeben stellte bereits im Jahr 2002 fest, dass Mediennutzung zu einem sozialen Event wird. Neben der viel zitierten Medienkritikfähigkeit sind auch das Finden eines angemessenen Medienkonsums und damit einhergehend das Entwickeln einer medienbezogenen Genussfähigkeit wichtig.

Positive Mediennutzung
Allzu oft verstricken wir uns in der Diskussion, ob neue Entwicklungen nun gut oder schlecht sind. Wir können kritische Fragen äussern, es wird die Welt, in der unsere Jugendlichen aufwachsen, jedoch nicht ändern. Um gewinnbringende Gespräche mit Jugendlichen zu führen, sind wir daher gezwungen, eine positive Vorstellung von Mediennutzung zu entwickeln, die sich an den heute zur Verfügung stehenden Medien orientiert. Wir müssen uns Fragen stellen wie: Wann ist Mediennutzung ok? Wie viel Zeit darf dafür aufgewendet werden? Was macht eine positive Mediennutzung aus? Daraus resultierende Prinzipien ermöglichen uns eine positive Herangehensweise, wobei etwas gelernt wird, die Kommunikation zunimmt und Kontakte entstehen. Dabei darf allerdings nicht vergessen gehen, dass auch passive Mediennutzungsformen ihre Berechtigung haben, indem beispielsweise zum Entspannen ein Film geschaut wird.

Bezeichnungen, die nicht wertend sind
Ergänzen wir die Mediennutzung mit Adjektiven wie „gut“, „vernünftig“ oder „angebracht“, entsteht schnell eine Wertung. Als wertefreie Formulierung schlage ich daher „zielgerichtete oder bewusste Mediennutzung“ vor.

Der Begriff „zielgerichtete Mediennutzung“ erlaubt folgende Arbeitsweise, die wir aus unserer täglichen Arbeit kennen: Ziel setzen, Ziel überprüfen, Verhalten anpassen. Dieses einfache Vorgehen verwende ich jedes Mal, wenn ich ein Medium nutze. Wichtig dabei ist, dass jegliche Ziele erlaubt sind. Da es darum geht, unsere Mediennutzung zielgerichtet zu gestalten, kann Entspannung zwar eine mögliche Konsequenz, keinesfalls aber das Ziel sein.

Diese Überlegungen gilt es nun, in die Arbeit mit Jugendlichen zu übertragen. Anstatt ein Gespräch mit der Aufforderung „jetzt legt doch mal das Handy weg“ zu beginnen, könnte der Gesprächseinstieg über die Frage erfolgen: „Schön seid ihr da, warum seid ihr eigentlich hergekommen?“ Dadurch entwickelt sich allenfalls ein Gespräch, das zeigt, dass das Treffen von Freunden und zusammen Spass haben im Vordergrund stehen. Folglich möchten sie vielleicht das Handy weglegen und ein Turnier organisieren. Möglich ist auch, dass der „Spass“ darin besteht, sich gegenseitig Filme vorzuspielen. Warum nicht daraus einen Event machen?

Zu akzeptieren ist allerdings auch, dass Jugendliche sich freuen, endlich einen Ort zu haben, an dem sie ihre Handys nutzen können, ohne dafür kritisiert zu werden.

Beitrag in gekützter Fassung erschienen in: https://doj.ch/infoanimation-digitale-medien-in-der-okja/

Genner S. (2017). Digitale Transformation: Auswirkungen auf Kinder und

Jugendliche in der Schweiz – Ausbildung, Bildung, Arbeit, Freizeit. Zürich: ZHAW Zürcher

Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Groeben, N. (2002). Dimensionen der Medienkompetenz: Deskriptive und normative Aspekte. In: N.

Groeben & B. Hurrelmann (Hrsg.). Medienkompetenz: Voraussetzungen, Dimensionen, Funktionen

(S. 162−202). Weinheim: Juventa.

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